Weihnachten 2011

Es ist Mitte Dezember, ich habe bereits ein paar tolle Päckchen von Familie und Freunden bekommen und bin somit mit Lebkuchen, Spekulatius, Weihnachtsschokolade und Adventskalender versorgt, ich habe Weihnachtsguatsle gebacken (soweit hier möglich) und mir in Kathmandu zwei Flaschen Rotwein für Glühwein gekauft. Eigentlich kann Weihnachten kommen, doch irgendwas fehlt - achja, die Weihnachtsstimmung!

Wer auch immer behauptet, dass das ganze Drumrum mit Weihnachtsmärkten, blinkenden Lichtern, Weihnachtsfeiern in jedem Verein und im Büro etc. nicht nötig ist, sondern nur der weihnachtliche Geist zählt, dem muss ich mit den Worten Ebeneezer Scrooges entgegenhalten: "Das ist Humbuk!". Der weihnachtliche Geist mit Liebe, Mitgefühl und dem für-andere-Dasein sollte doch wohl nicht nur an diesem einen Tag im Jahr gelten, sondern auch die übrigen 364, oder nicht? Was also macht diesen einen Tag und die Adventszeit dann so speziell? Feiern mit der Familie, der Duft von frisch gebackenen Plätzchen und Zimttee, durch den Schnee zur Mitternachtsmette stapfen, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt mit Freunden, Charles Dickens "Weihnachtsgeschichte" schauen und das Glitzern in den Augen der Kinder, wenn sie den Weihnachtsbaum sehen. Na also, das alles braucht es für mich für Weihnachten.

 

Nur: woher hier in Nepal nehmen?

Dies ist bereits mein zweites Weihnachten in diesem vom Hinduismus geprägten Land und da ich all das eben beschriebene nicht haben kann, soll es also etwas komplett anderes sein.

Da fällt mir ein Event ein, das meine Freundin Astrid aus Dhangadhi erwähnte: im Chitwan Nationalpark findet über Weihnachten ein Elefanten-Fußball-Turnier statt. Na, das ist doch wirklich mal was Anderes ;o)

 

Am 23.12. stehe ich also mit meinem Rucksack an der Hauptstraße und möchte in den Bus in Richtung Narayangarh steigen und muss leider feststellen, dass heute bandha ist. Jetzt war in den vergangenen Wochen so oft Streik und wir haben in Butwal nie mitgemacht, um ausgerechnet heute unseren einenen Distrikts-Streik zu organisieren! Ich könnte heulen, doch davon erscheinen die Busse ja auch nicht. Ich latsche also zurück nach Hause und verbringe einen ruhigen Tag daheim. Leider auch mit sehr eingeschränktem Essensangebot, da ich ja extra alles vor dem Urlaub weggegessen oder meiner didi mitgegeben habe. Am 24.12. dann klappt es Gott sei Dank und ich sitze (dick in meine Daunenjacke, lange Unterwäsche etc. gepackt) im Bus. Um 11 Uhr komme ich bereits in Chitwan an und werde vom Lodgebetreiber mit dem Motorrad abgeholt. Das erste, das mit auffällt ist: es ist hier bollenwarm, ich schätze 30° und ich bin definitiv zu dick angezogen. Also kaufe ich im Ort erst einmal ein T-Shirt, da so ein Kleidungsstück nicht in meinem Rucksack ist. Wer hätte das auch ahnen können?

Im Ort ist man auf die Touris eingestellt und man findet immer mal wieder Weihnachtsdeko: 

Am kommenden Tag mache ich noch einmal das ganze Touriprogramm mit Jeepsafari, Elefantenritt etc. mit und gehe abends schön mit ein paar anderen Leuten aus dem Guesthouse essen. Frohe Weihnachten!

Und am 26.12. beginnt dann das eigentliche Programm, weswegen ich hier bin.

Tag 1: Elefantenrennen (4 Rennen mit je 5 Elefanten), Ponywagenrennen und Ochsenwagenrennen (ebenfalls je 4 Rennen mit je 5 Wagen), danach das erste Fußballspiel.

 

Tag 2: Elefantenrennen (Halbfinale, 2 Rennen mit je 5 Elefanten), danach Pony- und Ochsenwagen-Halbfinale. Zweites Fußballspiel und erste Runde des Elefantenschönheitswettbewerbes.

 

Tag 3: Finale Elefantenrennen, Pony- und Ochsenwagen sowie das Fußballspiel der beiden Sieger der Vortage, Finale Schönheitswettbewerb.

 

Hier ein paar Bilder von den Rennen:

Alle Elefanten kommen aus Chitwan, werden aber von verschiedenen Ländern oder Firmen gesponsort. So kam es auch, dass ein "deutscher" Elefant am Start war. Und nicht nur das, "unser" Elefant war auch noch sehr schnell und beim Wenden an der 150 Meter-Marke ganz unkompliziert (manche Elefanten haben sich da nur im Kreis gedreht oder wollten gar nicht umkehren ;o)), er hat sogar am Schluss nur um eine Nasenlänge den ersten Platz verpast. Also, keine Elefanten-Nasenlänge, sondern es war wirklich ganz knapp!

Auch wenn natürlich jeder gewinnen will, so ging doch alles sehr locker ab und es wurde viel gelacht.

 

Beim Fußall-Turnier spielen vier gegen vier junge Elefanten (drei bis fünf Jahre alt) gegeneinander. Hier die Mannschaftsaufstellung:

Und dann gibt es noch den Schiri:

Aber das kennt ihr ja alles, das ist nichts Neues. Doch es gibt noch einen Arbeitsplatz, den es beim "normalen" Fußball nicht gibt, und das ist...

... der Elefantenhaufen-Aufsammler. Mann, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was da jeden Tag für ein Berg zusammenkam!

 

Und dann ging es los. Der Tor-Ele hatte den einfachsten Job: meistens stand der nur abwartend vor dem Tor rum. Die anderen sechs Elefanten sind jedoch etwas unkoordiniert (trotz Mahouts auf dem Rücken) alle gleichzeitig dem Ball nachgerannt, so dass ein großer Pulk entstand. Dummerweise konnte dann niemand den Ball mehr sehen, wenn der unter einem Elefanten am Boden lag. Aber durch etwas hin und her rangieren oder auch durch Zufall kam der Ball immer wieder in Bewegung und kam auch ab und zu im Tor an ;o) Wobei die Elefanten beim Abschlagen des Balls entweder zum Teamkameraden oder zum gegnerischen Team oder ins Aus oder einfach in die Pampa kickten. Wir haben Tränen gelacht bei den Spielen, die je zwei Mal 20 Minuten gingen. Das war echt schön anzusehen, insbesondere, da man im Hintergrund bis zu den Bergen sehen konnte und Annapurna und Manaslu uns alle drei Tage über mit ihrer Anwesenheit beehrten.

Und auch der Schönheitswettbewerb der Elefanten war eine lustige Angelegenheit: oder habt ihr das Wort "Catwalk" jemals mit einem mehrere 1.000 Kilo schweren Wesen in Verbindung gebracht?

In Chitwan haben dieses Jahr sechs Elefanten um den Titel gekämpft und wurden dafür von ihren Besitzern schön herausgeputzt: besonders ordentlich mit einem rauhen Stein im Fluß abgewaschen, dann mit Kreide teilweise bemalt und auch die Fußnägel wurden bei manchen Elefanten mit Kreide verschönert.

Doch nicht nur das Aussehen und das Makeup gab Punkte, sondern auch die Gesundheit des Elefanten, ob er Spuren von Misshaldlung, Narben etc. aufweist, aber auch das Aufheben von Stöcken vom Boden etc. wurden bewertet. Am Finaltag hat ein Elefant die Jury damit überrascht, dass er mit dem Rüssel Blumenketten vom Boden aufhob und den Juroren um den Hals legte. Total schön ;o)

Am Schluss hat der kleinste Elefant gewonnen, ich hätte auch hier dem Zweitplatzierten den Vorrang gegeben.

Und weil ein solches Ganztages-Event hungrig und durstig macht und sich die Gelegenheit bietet, findet auch gleich eine Art "mela" statt. Das ist wie ein Jahrmarkt mit Produktshow (so wie bei uns das Oktoberfest oder der Cannstatter Wasen angefangen haben...).

Da haben Vogelschutzorganisationen, Frauenrechtsgruppen, Traktor-hersteller etc. einen Infostand gehabt und es wurden Fotos von Nepal ausgestellt, Essensbuden und ein Mini-Riesen-Rad und Karussel aufgestellt und abends noch mit Tanz und Musik eine Party organisiert. 

Alles in allem waren es sehr schöne Tage, die ich sehr genossen habe. Am Tag meiner Abreise gab es noch eine Geburtstagsfeier für die beiden Zwillingselefanten, die im Aufzuchtcamt leben und die ich kurz nach ihrer Geburt vor drei Jahren bereits kennen gelernt habe. Eine große Gemüsetorte mit Gras und weiteren Elefantenleckereien wurde da hergestellt. Doch davon habe ich leider nichts mehr mitbekommen, da ich bereits im Bus nach Pokhara saß.

 

Ja, und nächstes Jahr kann ich dann Weihnachten wieder wie gewohnt feiern: mit Schnee und Lichterketten, Met am Stuttgarter Weihnachtsmarkt und mit Plätzchen backen mit meinen Freunden, einem Christbaum und dem Gedudel von Weihnachtsliedern in allen Läden ***