13.02.2010 Tibetisches Neujahr

Am 08.02.2010 nach unserem Kalender findet das Tibetische Neujahrsfest, auch Lohsar genannt, statt. So steht es in meinem Kalender. Von einem Freund weiß ich, dass man dieses Lichterfest am Besten bei einer der beiden großen buddhistischen Stupas in Kathmandu feiern kann. In jeder Nische des Stupas stehen die kleinen Butterlampen und flackern, die alphornartigen Hörner werden geblasen und überall finden tibetische Tänze und traditionelle Aufführungen statt. Zudem soll dieses Fest zu 95 % von Nepali und Tibetern besucht werden und nur wenige Touristen finden wen Weg zu diesem Ereignis.

Das wollten wir uns nicht entgehen lassen und so bin ich mit meinem Sprachkurskollegen Udo nach Bodhnath gefahren. Eine ziemlich abenteuerliche Fahrt mit dem Taxi, da gerade Rush-hour war (wann ist in Kathmandu keine Rush-hour?) und unser Taxifahrer jede, wirklich jede Lücke genutzt hat. Naja, wir haben es dann wirklich nach Bodhnath geschafft. Dort waren auch einige in rot gekleidete buddhistische Mönche und Pilger, aber nicht mehr als sonst auch und definitiv weniger als wir für dieses große Fest erwartet hatten. Naja, wir sind dann in aller Ruhe um den Stupa gelaufen. Im Urzeigersinn. Andersherum wird man ziemlich schnell ausgebremst, DAS MACHT MAN NICHT!!! Aber auch als es langsam dämmerte waren nirgends Kerzen zu sehen, keine Hörner, kein Dalai Lama! 

 

Wir sind dann erst einmal tibetisch essen gegangen, so eine Wanderung um den größten Stupa Nepals macht hungrig. Wir haben als erstes einen Buttertee probiert, vor dem uns jeder gewarnt hat. Schwarzer Tee mit Salz angerührt und dann mit schaumiger Yak-Butter verrührt. Schmeckt irgendwie wie Bouillon und wenn ich Nudeln gehabt hätte, hätten die sich gut in diesem Tee gemacht. Aber den ganzen Pott habe ich dann doch nicht getrunken, das Gebräu ist schon ziemlich nahrhaft und auch gewöhnungsbedürftig. Zu Essen haben wir uns dann auch typisch tibetische Speisen ausgesucht. Eine leckere, etwas säuerliche Suppe, saag (Spinat), Pampe aus irgendwas (nicht sehr lecker!) und tsampa. Das ist Gerstenmehl, das mit Buttertee angerührt wird. Schmeckt ein bissle wie Styropor, erfüllt aber seinen Zweck, den Hochlandbewohnern als nahrhafte Grundlage zu dienen. Wir haben einen riesigen Berg von dem Zeug auf den Teller geknallt bekommen, das sieht ein wenig so aus wie ein Bollen Mürbeteig für Nougatherzen, aber wir hatten da eine Portion, die hätte auch für 200 Guatsle gereicht.

Naja, gut dass Udo und ich uns abgesprochen hatten, so dass wir ein Mal Tsampa und ein Mal Reis hatten :o) Danach haben wir uns noch superleckeren Nachtisch gegönnt: khir. Das ist Reisbrei mit Nüssen, Rosinen und Gewürzen. Auch nahrhaft, aber seeeeehr lecker! Nachdem wir so feudal gegessen hatten, war von Kerzen immer noch nichts zu sehen und da haben wir die Leute im Restaurant mal gefragt, wann denn das Lichterfest ist. Die wussten aber auch nicht Bescheid. Was sind denn das für Tibeter, die nicht wissen, wann bei ihnen Neujahr ist?! Aber einer ist dann losgezogen und nach einer halben Stunde mit der Information wiedergekommen, dass das Lohsarfest am 14.02. ist. Wir werden also dieses Wochenende den zweiten Versuch starten und noch einmal nach Bodhnath fahren. Und suchen uns wieder ein kleines Restaurant, das uns die Speisen dieser Gegend näher bringt... 

14.02.2010 Lohsar Teil 2

So, dies ist der zweite Versuch, mit den Tibetern das Neujahrsfest zu feiern. Ich glaube, dass ich heute richtig bin, denn heute und morgen sind einige Läden und Restaurants wegen des Losar-Festes geschlossen. Also liegt die Chance, tausende Butterkerzen um die Stupa zu sehen bei 50 %. Ich bin heute gegen Mittag hierher nach Bodnath gekommen und hab erst die traumhafte Sicht auf die himals, die Schneeberge, genossen. Von den Rooftop-Restaurants hat man einen unglaublichen Blick auf die kleinen goldenen Tempeldächer, den Stupa und im Hintergrund die Berge.

Überall wehen die tibetischen gelb-grün-rot-weiß-blauen Gebetsfahnen im leichten Wind. An manchen Stellen haben sich einige Pilger zusammengefunden und singen und tanzen ihre traditionellen Weisen, Taubenschwärme fliegen durch die Luft, wenn sie von den gebetsmühlendrehenden Buddhisten aufgescheucht werden. 

 

Die Sonne scheint mir noch warm ins Gesicht und ich trinke einen Ingwertee mit Honig, während ich auf die Dunkelheit und die Kerzen warte. Langsam geht die Sonne unter und bescheint nun nur noch die hohem Berge am Horizont. Einige rotgewandete Mönche mit Kerzen laufen singend um die Stupa, doch jeder läuft in seinem eigenen Tempo. Und jeder singt auch in seinem eigenen Tempo, so dass es wie ein vielfaches Echo klingt, während die vielen Menschen der Prozession folgen.  

Ich begebe mich von meinem Aussichtspunkt wieder herab zu den Anderen und laufe ein paar Mal mit ihnen um das Bauwerk, immer wieder auch an den kleinen Läden ringsum anhaltend. Man sieht bei den Besuchern die verschiedensten Trachten und Kleidungsstücke, die ihre Herkunft und manchmal auch die Gruppe verratend, mit der man hierher gepilgert ist. Ich bin nun seit drei Stunden hier und treffe immer wieder die gleichen Leute, die betend um die Stupa laufen, mir gefallen ein paar ältere Menschen besonders gut, die in bunten Trachten und Turnschuhen unterwegs sind oder die alte Frau mit der Harley-Davidson-Fleecejacke und der Gehhilfe. Jetzt wird es langsam dunkel, aber von tausenden Kerzen ist auch heute nichts zu sehen. 

 

Dafür werde ich Zeuge einer Zeremonie, bei der buddhistische Mönche auf großen Muscheln, Hörnern und Becken Musik machen während andere Mantras singen. Sehr schön und stimmungsvoll. Die Leute können dort auch Süßigkeiten erwerben (Kekse, Popcorn, Reispuffer, Bonbons etc.), das alles auf einem großen Haufen zwischen den Mönchen gestapelt wird. Der Berg war echt riesig, hüfthoch und mit einem Durchmesser von bestimmt 1,5 bis 2,0 Metern. Die ganzen Süßigkeiten wurden dann in schwarze Plastiktüten verpackt und größtenteils unter den Musikern verteilt. Ein kleiner Anteil wurde unter den Anwesenden Pilgern verteilt, wobei sich die Erwachsenen da noch fast gekloppt hätten und echt unverschämt waren und den kleinen Kindern das Meiste weggeschnappt haben. Leider eine etwas unschöne Szene.

 

Naja, ich hab mir dann ein Taxi nach Hause gegönnt, ist immerhin eine Fahrt von 20 Minuten. Normalerweise. BANDHA! Der Taxifahrer wollte 1.000 statt der üblichen 250 Rupien und meinte, dass man auf normalem Weg nicht zurück nach Kathmandu kommt, da ein Busunfall stattgefunden hat, bei dem zwei Menschen starben. Das heißt, dass sich da sofort ein spontaner bandha gebildet hat, der die Straße blockiert, von den Unfallfahrzeugen ganz zu schweigen. Nachdem wir uns auf 600 Rupien geeinigt hatten, fuhr Raju (mein Taxifahrer) los. Kreuz und quer, da ja auch die Ausweichstraßen nicht passierbar waren, bis wir auf einmal mitten im Nichts standen, wirklich mitten im Nichts. Kein Baum, kein Haus, leider auch keine Straße. Und kein anderes Auto. Also, alles wieder zurück und woanders abgebogen. Nach einer halben Stunde Fahrt hat sich Raju sehr gefreut und meinte, er wisse jetzt wieder, wo wir sind. Kurz und gut, wir sind 1,5 Stunden durch Kathmandus Umgebung gefahren und dann ganz im Norden wieder auf die Ringroad gekommen. Thapathali, wo ich wohne, liegt ziemlich im Süden der Stadt, aber durch die Stadt sind wir dann noch ganz zügig gekommen.

 

Nach dieser Odyssee hat sich für mich auch die Frage erledigt, ob ich es morgen noch einmal wagen soll, nach Bodnath zum Lichterfest zu fahren. Ich finde, für dieses Jahr hab ich wirklich alles getan, eine dritte solche Tour kann man für ein einziges Neujahrsfest nicht von mir erwarten!